32 Wie kann die Koordination der Versorgung von chronisch kranken Menschen in der Schweiz verbessert werden?

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Menschen mit chronischen Erkrankungen sind auf eine gut koordinierte Versorgung angewiesen. Die Studie untersuchte das Potenzial einer besser koordinierten und kontinuierlichen Versorgung in der Schweiz sowie die diesbezüglichen Präferenzen der Bevölkerung.

  • Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)

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    In einem ersten Schritt wurde die Kontinuität der Versorgung der Schweizer Bevölkerung über 50 Jahren sowie der Zusammenhang mit Multimorbidität, der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und der Gesundheitskosten untersucht. Dazu wurden erstens die Krankenversicherungsdaten von 200'000 Personen aus den Jahren 2015 bis 2018 analysiert, um Kontinuitätsindizes zu berechnen, die darauf hinweisen, wie oft diese Personen den Gesundheitsdienstleister gewechselt hatten.

    In einem zweiten Schritt wurden die Präferenzen dieser Bevölkerung für alternative, besser koordinierte Versorgungsmodelle überprüft. Zu diesem Zweck wurde eine Bevölkerungsbefragung bei 1'000 Personen in der Westschweiz durchgeführt, in der sich die Befragten jeweils zwischen ihrem bestehenden Versorgungsmodell und alternativen Modellen, die eine bessere Koordination der Versorgungsleistungen erlaubten, entscheiden mussten. Zusätzlich wurden Analysen durchgeführt, um Untergruppen mit ähnlichen Präferenzen zu charakterisieren.

  • Hintergrund

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    Eine mangelnde Koordination und Kontinuität des Versorgungsangebots können sich negativ auf die Wirksamkeit, Qualität und Effizienz der Versorgung auswirken. Ältere Menschen mit mehreren chronischen Krankheiten sind besonders betroffen, da komplexe Behandlungen den Einsatz zahlreicher Leistungserbringer erfordern. Hürden für die Implementierung einer besser koordinierten, integrierten Versorgung in der Schweiz sind der Föderalismus, die unterschiedlichen Interessen der Akteure im Versorgungssystem, die Fragmentierung der Informationen sowie die Komplexität der bestehenden Finanzierungsmechanismen.

  • Ziel

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    Ziel der Studie war es, Rahmenbedingungen für eine verbesserte Koordination der Versorgung in der Schweiz zu definieren und das Potenzial neuer Versorgungsmodelle abzuschätzen.

  • Resultate

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    Die Studie zeigte, dass die Kontinuität der Versorgung in der Schweiz eher tief, aber vergleichbar mit anderen OECD-Ländern ist. Sehr hoch ist sie hingegen in der Grundversorgung, insbesondere bei komplexen Gesundheitsbedürfnissen und Versicherungsmodellen mit Gatekeeping. Je nach Art der Erkrankung variierte die Versorgungskontinuität erheblich. Eine höhere Kontinuität der Versorgung ist mit besseren Gesundheitsoutcomes (z. B. weniger Spitalaufenthalte) und niedrigeren Kosten verbunden. Die Befragung bezüglich alternativen Versorgungsmodellen zeigte, dass die Schweizer Bevölkerung über 50 Jahren relativ stark am Status quo festhält (21% der Teilnehmer ziehen ihr derzeitiges Modell systematisch einer innovativen Alternative vor). Darüber hinaus legt sie grossen Wert auf die Koordination durch eine klar bestimmte Stelle. Ebenso war die Höhe der monatlichen Versicherungsprämie ein zentraler Aspekt. Insgesamt wurden sehr unterschiedliche Präferenzen festgestellt, wobei eine Mehrheit der Befragten für ein gewisses Mass an Reformen offen war.

  • Bedeutung

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    Die Studie zeigt, dass eine Analyse der Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung und der Kosten anhand von Leistungsdaten möglich ist und diese Daten in Ländern ohne nationale Register genutzt werden können. Sie können auch dazu dienen, das Verständnis von Multimorbidität zu erweitern und spezifische Patientenprofile zu ermitteln. Weiter zeigt die Studie das Potenzial einer verbesserten Koordination und Kontinuität der Versorgung in der Schweiz auf und macht konkrete Vorschläge für Organisations- und Finanzierungsmodelle, die in der Bevölkerung auf Akzeptanz stossen. Sie macht eine Reihe spezifischer Empfehlungen:

    1. Entwicklung eines Stratifizierungssytems, um die Mittel für die Koordination der Versorgung dort einzusetzen, wo sie die größte Wirkung haben.
    2. Verbesserung der Kommunikation über die aktuellen Versicherungsmodelle und Diskussion der Vorteile über die Prämienreduzierung hinaus.
    3. Verbesserung der Gesundheitskompetenz und des Wissens über das Gesundheitssystem in der Bevölkerung.
    4. Entwicklung finanzieller Anreize, um die Koordination in der Versorgung zu fördern.
  • Originaltitel

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    How to improve care integration, coordination and continuity? Designing policy from population needs and preferences