Mehr Transparenz und Qualität dank besseren Gesundheitsdaten
Prof. Marcel Zwahlen spricht im Interview über das Ziel des NFP 74, die Verfügbarkeit, die Zugänglichkeit und die Verknüpfung von Gesundheitsdaten zu optimieren, und darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Prof. Marcel Zwahlen ist Mitglied des Leitungsgremiums des NFP 74 und Stellvertretender Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern.
Das NFP 74 will längerfristig die Verfügbarkeit, die Zugänglichkeit und die Verknüpfung von Gesundheitsdaten optimieren. Wieso braucht es dieses Ziel?
Wir brauchen dieses Ziel, damit wir unser Gesundheitsversorgungssystem in Zukunft besser verstehen. Wir benötigen aussagekräftigere und nützlichere Beschreibungen davon, was genau in unserer Gesundheitsversorgung geschieht. Diese Analysen helfen uns, nicht nur die Versorgungsforschung, sondern auch die behördlichen Anstrengungen in der Qualitätssicherung und der Herstellung von Transparenz auf ein höheres und international kompetitives Niveau zu heben.
Wenn wir die Verfügbarkeit, die Zugänglichkeit und die Verknüpfung der bereits routinemässig erhobenen Gesundheitsversorgungsdaten nicht verbessern, ist es nicht möglich, die Patientinnen-/Patientenpfade breit abgestützt und über die verschiedenen Versorgungsebenen hinweg abzubilden. Zudem würden die Forderungen nach besserer Transparenz und Qualitätssicherung mehrheitlich Lippenbekenntnisse bleiben.
Was braucht es, um dieses Ziel zu erreichen?
Ideal wäre es, wenn wir in allen Versorgungssektoren und in Forschungsprojekten einen einheitlichen Identifikationscode für die untersuchten oder behandelten Personen verwenden könnten. Dieser müsste genügend sicher und verschlüsselt sein. Zudem wäre es sinnvoll, wenn auf der Ebene der Einzelpersonen ein zentraler Zusammenzug der Abrechnungsdaten der obligatorischen Krankenversicherung für Aufsichtsaufgaben des Bundes sowie auch – geeignet anonymisiert – für Forschende konstruiert und zur Verfügung stehen würde. Meines Wissens stellt das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) bereits heute die nötigen rechtlichen Grundlagen dafür bereit. Es gibt jedoch Widerstände von Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer gegenüber einem Datenzusammenzug über alle Krankenkassen hinweg.
Wie steht es mit dem Thema Datenschutz?
Gesundheitsdaten sind besonders schützenswert. Es besteht aber auch ein öffentliches Interesse daran, durch eine geeignete Nutzung der routinemässig erhobenen Daten die Transparenz und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Der rechtliche Rahmen muss daher so gesetzt werden, dass sowohl eine bessere Nutzung als auch ein guter Datenschutz gewährleistet sind. Dazu braucht es vermutlich neue rechtliche Regelungen auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe, damit die richtige Balance zwischen Nutzen und berechtigtem Datenschutz gefunden werden kann. Allenfalls braucht es auch neue nationale Institutionen wie spezialisierte Zentren zur Datenaufbereitung und Datenverknüpfung, die unter speziellen Verfahrensregeln und unter Aufsicht der Bundesbehörden ihre Tätigkeiten ausführen, etwa um dann geeignet anonymisierte Daten den Forschenden oder den Aufsichtsbehörden zur Verfügung zu stellen.
Welches ist der Beitrag des NFP 74 für bessere Daten respektive eine bessere Datennutzung?
In einigen vom NFP 74 unterstützten Projekten wurden erstmals gewisse Zusammenführungen von Daten initiiert, die es so noch nicht gegeben hat. Besonders innovativ ist etwa das Projekt von Dr. Lucy Bayer-Oglesby, in welchem Daten der Volkszählung mit Daten über die Spitalaufenthalte und des Sterberegisters anonym verknüpft werden sollen. Das Bundesamt für Statistik hat für dieses Projekt Abklärungen beim Bundesamt für Justiz veranlassen müssen, um zu klären, ob diese anonymen Verknüpfungsschritte erlaubt sind. Erfreulicherweise wurde für diesen Präzedenzfall grünes Licht gegeben. Dieses Projekt wird somit aufzeigen, ob sowohl die rechtlichen als auch die technischen Hürden erfolgreich gemeistert werden können. Auch andere Projekte des NFP 74 haben Aspekte, bei welchen in Bezug auf die Datennutzung Neuland betreten wird. Damit werden die Vorgehensschritte für zukünftige Projekte, die ähnliche Datenquellen nutzen wollen, geklärt und vorbereitet.