01 Patientinnenerfahrungen helfen, die Gesundheitsversorgung von Migrantinnen zu verbessern
Die Studie identifizierte soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren, die migrationsbedingte Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung von Frauen mit chronischen Krankheiten in der Schweiz prägen. Basierend auf den Erfahrungen der Patientinnen und unter deren Beteiligung in allen Phasen des Projektes wurden konkrete Empfehlungen zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung entwickelt.
Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Die Studie konzentrierte sich auf chronisch kranke Migrantinnen portugiesischer, türkischer und deutscher Herkunft sowie auf Schweizerinnen. Es wurden 48 Interviews und zwei Fokusgruppen mit Patientinnen sowie 12 Interviews mit Gesundheitsversorgern und Sozialdienstleistern durchgeführt. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden Stakeholder-Dialoge mit Vertretern/-innen relevanter Schweizer Institutionen sowie betroffenen Patientinnen durchgeführt. Es wurden Empfehlungen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und zum Abbau sozialer Ungleichheiten entwickelt.
Hintergrund / Ausgangslage
Die Schweiz verfügt über ein gut ausgebautes Gesundheitssystem. Dennoch ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung für verschiedene Bevölkerungsgruppen eingeschränkt. So nutzen Migrantinnen einige Versorgungsangebote seltener als die übrige Bevölkerung, obwohl sie häufiger unter chronischen Krankheiten leiden. Bis heute sind die praktischen Erfahrungen der betroffenen Patientinnen nur selten in die Problembeschreibung eingeflossen und die Frauen selber sind auch kaum an der Erarbeitung von Lösungsansätzen beteiligt.
Ziele
Ziel der Studie war es, die Ursachen von Ungleichheiten im Zugang zu und der Nutzung von Gesundheitsleistungen zu erforschen. Es sollte aufgezeigt werden, wie chronisch kranke Migrantinnen ihre Kontakte mit dem Gesundheitssystem erleben, welche Defizite sie wahrnehmen und welche Ressourcen sie selber im Gesundheitsversorgungsystem einsetzen und einbringen. Auf dieser Basis sollte unter Einbezug von betroffenen Patientinnen sowie Experten/-innen aus Wissenschaft und Praxis neue Ansätze für einen verbesserten Zugang zur Ge-sundheitsversorgung entwickelt werden.
Resultate
Im Hinblick auf eine bessere Versorgung von Patienteninnen mit chronischen Krankheiten und Migrationserfahrung wurde insbesondere folgender Handlungsbedarf eruiert:
- Abbau von Zugangsbarrieren durch Förderung von niederschwelligen, mehrsprachigen Unterstützungsangeboten auf Gemeinde- und Quartierebene (Informationen zu sozialen Diensten, Pflegeangeboten und Selbsthilfegruppen, Versicherungsmodellen und -leistungen oder Patientenrechten).
- Aktiver Einbezug der Patientinnen als Expertinnen ihrer Krankheit sowie Förderung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patientinnen und Gesundheitsberufen.
- Schaffung gezielter Ausbildungsangebote für Gesundheits- und Sozialberufe zum (inter-)professionellen Umgang mit sozialen und administrativen Herausforderungen sowie transkulturelle und transkategoriale Herangehensweisen bei der Arbeit mit chronisch kranken Patientinnen.
Bedeutung der Resultate für die Forschung und Praxis
Die vorliegende Studie ist die erste in der Schweiz, die Zusammenhänge zwischen dem selbstberichteten Gesundheitszustand von Migrantinnen, ihren wahrgenommenen Gesundheitsbedürfnissen, ihren Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem, ihren Ressourcen und ihrem Nutzungsverhalten in Wechselwirkung miteinander untersucht. Sie stellt die Berichte der Patientinnen in den Mittelpunkt der Forschung. Diese partizipative Vorgehen, welches in der neuen “sozialen Praxis der Public-Health-Wissenschaft" verortet ist, erhöht die Chance, dass die Ergebnisse und Empfehlungen tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden.
Originaltitel
Migrant Women’s Health Care Needs for Chronic Illness Services in Switzerland (MIWOCA)